Presseartikel

„Verheerende Wirkung für den Wald“

Von Jürgen Müller
 
MAINZ. Bis Ende 2018 galt bei der Holzvermarktung in Rheinland-Pfalz das Prinzip: Einer – nämlich die staatliche Forstverwaltung – verkauft für alle. Also für die staatlichen, kommunalen und privaten Waldeigentümer. Das sei auch für die Käufer von Vorteil, versicherten die Anbieter stets. Denn durch die Bündelung der Holzmengen sei der Sägeindustrie ein „großer Aufwand beim Einkauf und der Transportlogistik erspart“ worden, erklärt auch Christian Keimer, der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes Rheinland-Pfalz.Doch nicht alle Käufer sehen das offensichtlich so. 18 Sägewerke haben mit Rechtsanwälten einen Deal geschlossen: Sie meinen, in den Jahren 2005 bis 2020 zu hohe Preise für Rundholz – also Baumstämme – gezahlt zu haben. Daraus resultierende Schadenersatzforderungen hat ihnen eine weltweit tätige US-Anwaltskanzlei abgekauft und klagt sie nun vor dem Landgericht Mainz ein. Die Anwälte sprechen von einem „Rundholzsyndikat“ in Rheinland-Pfalz und fordern vom Mainzer Forstministerium 121 Millionen Euro. Das ist noch vergleichsweise günstig, Rheinland-Pfalz ist nämlich nicht das einzige Opfer der Kartellspezialisten: Vom Land Baden-Württemberg beispielsweise fordern sie gleich 416 Millionen Euro.

Geht die Sache im Sinne der Kläger aus, fließt ein erklecklicher Batzen an die Sägewerks-Betreiber, den Rest streicht das angloamerikanische Unternehmen Burford Capital ein. Dieses Unternehmen finanziert den Prozess, wenn es sein muss durch alle Instanzen. Geht die Sache für die Kläger schlecht aus, trägt allein Burford Capital das Risiko. Und die von dieser Firma beauftragten Anwälte dürften in jedem Fall auf ihre Kosten kommen.

„Der internationale Prozessfinanzierer will sich offenbar nun am rheinland-pfälzischen Wald bereichern“, befürchtet Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne). „Wir werden uns gegen ein solches Vorgehen mit Entschiedenheit zur Wehr setzen.“ Zudem könne die Klage „eine verheerende Wirkung für den Wald sowie dessen Pflege und Erhalt in ganz Rheinland-Pfalz entfalten“. Treffe sie doch die Waldbesitzer zu einem Zeitpunkt, an dem die Holzpreise infolge des klimabedingten Waldsterbens am Boden liegen. Die Waldbesitzer seien kaum noch in der Lage, die Erhaltung des Waldes finanziell zu stemmen. In dieser Lage würden viele darüber nachdenken, sich aus der Pflege des Waldes zurückzuziehen oder sich sogar von ihrem Eigentum zu trennen.

Zwar richtet sich die Klage „nur“ gegen das Forstministerium. Letztlich könnten aber „hunderttausende Waldbesitzende“ davon betroffen sein, wie es in einer Mitteilung des Ministeriums heißt. Dann nämlich, wenn die Sägewerks-Anwälte vor Gericht Erfolg haben. Möglicherweise würden in diesem Fall auch die Waldeigentümer mit in Haftung genommen.

Die Reaktionen auf die Klage sind eindeutig: Der Großteil des über das angebliche „Syndikat“ vermarkteten Holzes stammt aus Gemeindewäldern. „Dies ist auch ein Angriff auf die 1900 waldbesitzenden Kommunen sowie eine große Zahl Privatwaldbesitzer in Rheinland-Pfalz“, erklärt Aloysius Söhngen, der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebundes.

Wie stehen die Chancen der Kläger? Man darf davon ausgehen, dass der erfahrene Prozessfinanzier sein Geld nur in ein Projekt investiert, das er glaubt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen zu können.